DIE ALTE ORDNUNG ZERFÄLLT
Wir leben in einer Zeit des tiefgreifenden Wandels. Es ist die Rede von Bewusstseinsveränderung, einer neuen Zeitqualität und den Unsicherheiten, die damit einhergehen. In den Medien häufen sich die Zeichen von Umbruch: wirtschaftliche Krisen, technologische Sprünge, gesellschaftliche Spannungen. Doch die eigentlichen Erschütterungen finden oft im Verborgenen statt – in Familien, im Inneren der Menschen, besonders der jungen Generation.
In meiner kürzlichen Morgenmeditation erinnerte ich mich an ein Gespräch mit einer Klientin. Ihre Tochter, ein Teenager, besucht seit zwei Jahren keine Schule mehr. Obwohl sie schulpflichtig ist, bleibt sie zu Hause – und trägt dennoch seit Jahren einen klaren Wunsch in sich: Sie will Ärztin werden. Dieser Wunsch ist keine Laune, sondern wurde von Anfang an mit einer Stabilität ausgesprochen, die Erwachsene erstaunte. Doch wie kann dieser Weg gelingen, wenn sie keine Matura macht, kein klassisches Studium beginnt?
Sie ist kein Einzelfall. Immer mehr Kinder und Jugendliche verweigern das Schulsystem. Sie sind nicht „bildungsfern“ oder desinteressiert, sondern hochintelligent, sensibel und wach. Sie lernen durch Beobachtung, Medien, Gespräche auf Augenhöhe. Sie denken kritisch, stellen unbequeme Fragen, fordern Sinn und Authentizität. Wenn sie Gehör finden, kann ein fruchtbarer Dialog entstehen. Bleibt dieser jedoch aus, folgt Rebellion, Rückzug, manchmal offene Eskalation. Familien geraten ins Wanken, das Vertrauen zerbröckelt, der innere Halt geht verloren.
Viele Erwachsene sind selbst in dem System gefangen, das sie einst geformt hat. Sie haben gelernt, sich zu fügen, passen sich an und erwarten dasselbe von ihren Kindern. Dabei übersehen sie, dass es gerade die Jugend ist, die den Mut und die Unvoreingenommenheit hat, etwas Neues zu erschaffen. Auch Erwachsene waren einst Visionäre, angetrieben von Ideen zur Weltverbesserung.
Noch ist es unmöglich, Ärztin zu werden, ohne Abschluss und Studium. Doch in einer Zukunft – nach dem Zerfall der alten Ordnung – in der sich auch die Enge der heutigen Wissenschaft erweitert hat und der Mensch wieder seiner Intuition, Herzkraft und Wahrnehmung vertraut, wird sich der Zugang zur Heilkunst verändern. Bereits heute hören wir von „Wunderheilungen“, „Geistheilung“ oder „spirituellen Operationen“. Sie geschehen nicht aus Zufall, sondern gründen auf Vertrauen, Herzkraft und innerem Wissen – getragen von einem oft langen Weg der Selbsterkenntnis und Erfahrung.
Eine Zeit wird kommen, in der Krankheit nicht mehr als Feind gesehen wird, sondern als Botschafter der Seele. Krankheit entsteht dort, wo der Mensch sich von seinem Seelenweg entfernt, sich Systemen und Glaubensmustern, die der Freiheit seiner Seele fremd sind, unterordnet. Sie beginnt dann, wenn diese göttliche Freiheit beschnitten wird und eine auf Ego und Angst basierte Eigenwilligkeit auftritt. Krankheit ist kein Makel, sondern Hinweis. Wer diesen erkennt und sich neu ausrichtet, erfährt meist sehr rasch Heilung. Manche nennen dies Wunderheilung. Doch es ist „nur“ Bewusstheit und Lebensänderung.
Der Arzt oder Heiler der Zukunft braucht mehr als Wissen um die anatomischen und chemischen Zusammenhänge im Körper. Er braucht Intuition, Einfühlungsvermögen und ein in sich ruhendes Herz. Die Tochter meiner Klientin trägt dieses Wissen bereits in sich. Noch sucht sie einen Ausdruck dafür. Sie braucht dafür die Freiheit sich zu entdecken und zu formen, ohne die Zwänge eines Schulbetriebs oder die eng geschnürten Vorgaben eines alten Systems. Dafür braucht sie Raum, Zeit, Vertrauen – und Erwachsene, die hinhören, wenn sie von ihren Visionen spricht, die sie ernst nehmen, sie begleiten. Nicht mit Kontrolle, sondern mit aufrichtigem Interesse.
Kinder wie sie sprengen das System. Und das ist gut so. Auch wenn es unbequem für die Eltern und Er-Zieher ist. Doch der Wandel ist unaufhaltsam. Die alten Strukturen bröckeln. Viele Erwachsene spüren das, aber es fehlt ihnen oft die Vorstellungskraft, wohin es ohne die Stütze des gewohnten Systems gehen kann. Sie fragen sich: Was kommt danach? Chaos? Revolution? Unordnung? Vielleicht. Es kann aber auch anders gehen. Durch Zulassen von Wahrhaftigkeit und bewusster Erneuerung entsteht ein Systemwandel.
Wir alle brauchen den Mut, alte Denkmuster zu verlassen. Unser Geist will sich erheben, weiten, frei denken, neu kombinieren. Was heute noch als unmöglich gilt, kann morgen schon zur Realität werden.
Noch ein Thema, das Verwirrung schafft, unlogisch ist und dabei ist, in sich zu zerfallen, kommt mir in den Sinn. Warum produzieren wir Waffen, wenn wir doch Frieden wollen? Warum rüsten Nationen auf, schaffen Feindbilder und Zerstörung, wo wir als Menschheit doch nach Verbundenheit streben?
Wir als Menschenfamilie wollen in Frieden gedeihen und leben, die Schönheit der Natur, das Wunder des Lebens und die Freude des Seins erfahren. Vielleicht gibt es Wesen, die im Kampf, Krieg und in der Zerstörung ihre Erfahrung suchen. Mag sein. Doch sie gehören zu einer anderen Spezies, nicht zur Menschheitsfamilie. Sie folgen einem anderen Pfad, sind fremd auf der Erde. Unsere Mutter Erde ist für das Leben bestimmt, nicht für dessen Zerstörung.
Der Mensch ist einem System entwachsen, das Kampf und Verteidigung als Norm ansieht. Tief in uns sehnen wir uns nach einem Leben in Würde, Empathie und Frieden. In solch einem Leben gibt es Werden und Vergehen, Leben und Sterben, Licht und Schatten – aber nicht Zerstörung um der Zerstörung willen.
Die Technik als solche und deren Entwicklung ist dienlich, wenn sie mit Ethik und Verantwortung verbunden ist. Doch Kriegstechnik zur Zerstörung und Vernichtung ist Teufelszeug. Technik, auch künstliche Intelligenz, die mit Bewusstheit tugendhaft und ehrenvoll genutzt wird, mag Erfahrungen und Freude am Spiel mit sich bringen. Vielleicht dauert es noch einige Generationen, doch wenn sie von einer bewussten, reifen Menschheit genutzt wird, braucht technische Errungenschaft nur wenige Gesetze und Regeln. Der künftige, wache Mensch erkennt aus seinem Inneren heraus das Gute, Richtige und Edle und lebt danach. Die Lust nach Kontrolle, Macht, Jux und Tollerei wird von ihm zu Gunsten des großen Ganzen gezähmt. Durch seine Disziplinierung wandelt sich die oberflächliche Lust zu innerer Stärke und Freiheit. Und dann entsteht etwas Neues: eine Kreativität und Liebe, wie er sie noch nie erlebt hat.
Der Wandel ist da. Wir alle tragen ihn. Ob jung oder alt. Mit Herz, Verstand und offenem Gemüt wird etwas Großes daraus, eine friedliche, neue Gegenwart.
Rositta Virag





