darauf macht der in Spiegel-online beschriebene
Depression, Ängste, Sucht: Männer geraten wie Frauen in seelische Notlagen. Doch sie gelten gemeinhin nur als krank, wenn der Körper krank ist. Denn sie verschweigen häufig ihre Probleme – und Ärzte fragen selten nach. Das offenbart eine aktuelle Studie.
Männer gelten nur als krank, wenn ihr Körper krank ist. Dass sie aber ebenso wie Frauen an Depressionen, Ängsten oder anderen psychischen Störungen leiden können, ist nach wie vor ein Tabuthema. Darauf macht jetzt der "Männergesundheitsbericht 2013" aufmerksam, den die Stiftung Männergesundheit und die Deutsche Krankenversicherung DKV am Mittwoch in Berlin vorgestellt haben. Im Fokus des Reports steht die psychische Gesundheit.
Psychische Erkrankungen bei Männern würden von Angehörigen wie von Ärzten häufig übersehen, fehlgedeutet und nicht oder falsch behandelt, beklagen die Experten darin. Am deutlichsten zeige sich das bei der Depression. Als Beweis führt der Bericht zahlreiche Statistiken und Studien auf: Demnach gibt es deutlich weniger depressiv erkrankte Männer als Frauen. Gleichzeitig begehen aber dreimal mehr Männer als Frauen einen Suizid. In den meisten Fällen ging dem eine Depression voraus, die oftmals unerkannt blieb.
Depressionsblindheit
Die Autoren sprechen von einer "Depressionsblindheit", die eine ganze Reihe von Ursachen hat: Auf der einen Seite verhalten sich Männer mit einer Depression eher aggressiv, risikofreudig und greifen zu Alkohol und Drogen. Doch diese sogenannten externalisierten Symptome übertünchen oft die klassischen Anzeichen einer Depression wie Niedergeschlagenheit und Selbstzweifel. Auf der anderen Seite verhindert ein maskuliner Kommunikationsstil zwischen Arzt und Patient, dass psychische Sorgen überhaupt zu Tage kommen. Zudem neigen Männer dazu, solche ihrem Arzt vorzuenthalten. Männliche Mediziner wiederum agieren gegenüber männlichen Patienten eher autoritär und weniger einfühlsam.
Und: Nach wie vor seien psychische Erkrankungen vor allem unter Männern ein Stigma. Das vermeintlich starke Geschlecht hat den Autoren zufolge mehr Vorurteile gegenüber Menschen mit seelischen Schwächen. Depressionen etwa gelten in Männerkreisen immer noch häufig als Ausdruck persönlichen Versagens.
Die Folge: Männer rutschen mit ihren Problemen in der psychischen Versorgung oft durch. Das gelte nicht nur für Depressionen, so die Experten für Männergesundheit. Sie kommen beispielsweise zu dem Schluss, dass Stress am Arbeitsplatz die männliche Seele deutlich stärker belastet, als es bei Frauen der Fall ist. Zudem werden Männer öfter in ihrem Leben mit Gewalt konfrontiert – sowohl als Täter als auch als Opfer. Jungen erleben demnach deutlich öfter als Mädchen Gewalt durch ihre Eltern und sind doppelt so häufig Opfer schwerer Gewalt außerhalb ihrer Familie. Auch Angststörungen äußern sich bei Männern meistens durch Gewaltausbrüche – und werden deshalb wie die Depression oft übersehen.
"Männergesundheit geht noch nicht über die Urologie hinaus"
Es sind sehr deutliche Worte, die die Studienautoren in ihrem Bericht finden, um auf die zahlreichen Missstände aufmerksam zu machen: "In weiten Teilen der Medizin und des öffentlichen Bewusstseins geht Männergesundheit noch nicht über die Urologie hinaus", beklagt die Sozialwissenschaftlerin Anne Maria Möller-Leimkühler. Sie leitet an der Psychiatrischen Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der LMU München die Forschungsabteilung Psychiatrische Soziologie. Nur wenn Männer durch Morde oder schwere Gewaltdelikte auffallen, werde die Möglichkeit einer psychischen Störung ins Auge gefasst.
Dabei könnten auch gesundheitliche Probleme zu psychischem Leid führen, heißt es in der Studie. Doch obwohl dieser Zusammenhang lange bekannt sei, frage kaum einer etwa nach einer Diabetes oder einem Schlaganfall, der den Patienten psychisch belasten könnte – oder ob umgekehrt ein seelisches Tief als Krankheitsauslöser in Betracht kommen könnte.
Die Folgen sind gravierend: Männer, die sowohl psychisch als auch körperlich erkrankt sind, verlieren im Vergleich zu rein chronisch körperlich erkrankten Männern im Durchschnitt zwanzig Lebensjahre – auch das zeigen die Statistiken.
Für Matthias Stiehler, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Mann und Gesundheit besteht deshalb dringender Handlungsbedarf – er fordert ein Umdenken. Von den Medien, so schreibt er, würden Männer gerne als Vorsorgemuffel oder Gesundheitsidioten dargestellt. Ja, Männern falle es schwer, sich als seelisch verletzt zu akzeptieren. Zwar seien Männer sehr wohl in die Pflicht zu nehmen, Sorge für ihre Gesundheit zu übernehmen. Doch seiner Meinung nach müssen sich dafür auch die gesellschaftlichen Männlichkeitsvorstellungen ändern. Nur so könne es gelingen, die Männergesundheit jenseits der Apparatemedizin voranzubringen.
"Aktivitäten in Prävention und Gesundheitsförderung müssen von Empathie getragen sein, da sie sonst Abwehr erzeugen", schreibt Stiehler. Den Kassen zufolge sind Frauen generell gesundheitsbewusster als Männer, die für Präventionsmaßnahmen nur schwer zu gewinnen sind. Eines ist für Stiehler daher besonders wichtig: "Nicht die Männer müssen den Angeboten schmecken, sondern die Angebote müssen zu den Männern passen." Denn bisher, so Stiehler, "entsprechen die Angebote nicht der Lebenswirklichkeit von Männern."
Artikel aus "Spiegel online", folgender Link: